Sonntag, 30. Januar 2011

Frosch im Experiment: Märtyrer, Medium oder arme Sau?


Helmholtz bezeichnete den Frosch als "Märtyrer der Wissenschaft" und das zu Recht, denn das arme Vieh musste besonders seit Ende des 18. Jahrhunderts viele martialische Experimente an sich erdulden lassen. Galvani wollte mit seiner Hilfe eine den Tieren innewohnende tierische Elektrizität nachweisen. Volta führte dessen Experimente weiter und erkannte Ähnlichkeiten mit einer Batterie. Auch du Bois-Reymond nutzte die zuckenden Froschschenkel für seine Experimente. "Der Körper wird dem Experimentator zur Maschine. Du Bois vergleicht den Froschmuskel mit dem Zylinder einer Dampfmaschine, die Nervenfasern mit den Telegrafenkabeln, die das Land zu durchziehen beginnen." [http://www.tagesspiegel.de/zeitung/preussische-praezision/v_default,1667706.html] Helmholtz setzt für sein Experiment zur Nervenleitgeschwindigkeit Froschmuskel ein, wie ein verdinglichtes Bauteil neben anderen. Der Frosch wird zum Mittel und Medium. Wieso aber ausgerechnet ein Frosch? Im 19. Jahrhunderts galt sein Organismus als modellhafte Verkörperung des Lebens. Eine Anekdote besagt, Galvani hätte in Sorge um die Gesundheit seiner Frau derselben eine Froschschenkeldiät verordnet. Nachdem das Haus nun voll von Fröschen war, fanden sie schnell den Weg auf Galvanis Experimentiertisch. Galvani selbst beschreibt alles als einen Zufallsfund. Aber ob Zufall oder nicht, für meine Arbeit werden zumindest keine Frösche ins Gras beißen müssen. [Vgl.: Rieger, Stefan: Der Frosch - ein Medium? In: Münker, Stefan/Roesler, Alexander (Hg.): Was ist ein Medium? Frankfurt/M. 2008, S. 285-303]

Freitag, 28. Januar 2011

Hermann und die Frauen

Ein kleiner Exkurs in Helmholtz' Privatleben, weil's so schön ist. In einem Brief vom 14. Oktober 1849 an seinen "besten Freund" Emil du Bois-Reymond berichtet Helmholtz über die Vorzüge der weiblichen Gesellschaft (Helmholtz hatte zwei Monate vorher seine erste Frau Olga von Velten geheiratet): "Ich kann dir mit besten Gewissen empfehlen, Dir bei erster Gelegenheit eine ebenso liebenswürdige Frau anzuschaffen, wie ich sie mir erworben habe. Denn abgesehen von der für einen Junggesellen gar nicht zu beschaffenden Bequemlichkeit der Existenz und der Beseitigung einer Menge von Dingen, um die man sich sonst notwendig bekümmern muss, gibt es dem Geiste eine so vollständige Befriedigung in der Gegenwart, eine so ruhige Sicherheit des Besitzes, dass auch meine Arbeitsfähigkeit beträchtlich wieder zugenommen hat. Umgang, geistigen für mich und gesellschaftlichen für uns beide, haben wir noch wenig." Die Ehefrau als Mutti reloaded - ja, so war das damals! Emil du Bois-Reymond war auch zur Hochzeit eingeladen, schien aber ein echter Partymuffel zu sein, sodass Helmholtz alle Geschütze auffuhr, um ihn zur Teilnahme zu überreden: "Ich hoffe, dass Deine theoretische Überzeugung von der Unvernunft aller Festlichkeiten im menschlichen Leben, Dich wenigstens vermittels der materiellen Genüsse, so weit und so gut sie verabreicht werden, erbaut und erfreut zu werden, nicht verhindern wird. Ich kann Dich im Guten nicht von der Teilnahme an dieser Feierlichkeit dispensieren, weil ich es zu ungern sehen würde, wenn mein bester Freund an dem freudenreichsten Tage meines Lebens, dem Zielpunkte jahrelanger Bemühungen, keinen Teil haben wollte. Also überwinde deine Scheu gegen alle Leute, welche nicht Physiologen sind, und komm." Ob du Bois-Reymond dem Wunsch folgte, ist nicht überliefert. Überzeugungskraft und Humor hatte Helmholtz jedenfalls.

Mittwoch, 26. Januar 2011

Erste Messreihen mit Pouillets Messmethode

In seiner Veröffentlichung „Messungen über den zeitlichen Verlauf der Zuckung animalischer Muskeln und die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven.“ (1850) berichtet Helmholtz über seine ersten Versuche. Nachdem er anfangs mit der grafischen Messmethode experimentiert, entscheidet er sich für Pouillets Methode, bei der eine Elektromagnet zum Einsatz kommt. [Vgl.: http://dingler.culture.hu-berlin.de/article/pj096/ar096044] Dieser ist an ein Galvanometer angeschlossen oder darin eingebaut und über eine Skala konnte Helmholtz die Ablenkung der Nadel bei jeder Änderung der Stromstärke genau ablesen. Vorteil: Diese Methode ist sehr genau. Nachteil: Es ist mühselig, jeden Wert abzulesen und  zu notieren und anhand dieser Werte dann eine Verlaufskurve zu zeichnen. Aus diesem Grund baut Helmholtz später eine komplexe Registriertierapparatur, die die Bewegung des Muskels direkt auf einen drehbaren Zylinder aufzeichnet. Er berichtet darüber zwei Jahre später [Helmholtz, Hermann von (1852): Messungen über Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven. In: Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin, S. 199–216.]

Dienstag, 25. Januar 2011

Olga von Velten, Helmholtz' erste Frau und Assistentin der Myographie-Versuche

Olga, Helmholtz' erste Frau, assistierte ihm während seiner Versuche: "Meine Frau [...] steht mir treulichst bei bei meinen Versuchen als Protokollführerin der beobachteten Skalenteile, was sehr nötig ist, weil ich allein vollständig konfus werde, wenn ich auf so viele Dinge gleichzeitig achtgeben soll, als da sind: Umlegen höchst verwickelter Drahtleitungen mit Nebenströmen zweiter Ordnung, Einstellen des Muskels, Auflegen der Gewichte, Ablesen der Skalenteile, rechtzeitiges Öffnen und Schließen der Kette." [Helmholtz in einem Brief an du Bois-Reymond, 14. Oktober 1849] ... Selbst der Meister ist beizeiten verwirrt, das beruhigt mich irgendwie.

Sylvestergrüße an Helmholtz

"Grüße deine Frau und verfeiert mir nur nicht. Eßt auch nicht zu viel Marzipan." [Du Bois-Reymond in einem Brief an Helmholtz, 30. Dezember 1849]

Animation des Myographie-Experiments

Durfte letzten Freitag den Produzenten der Animation zu Helmholtz' Myographie-Experiment kennenlernen.Hier der Link zum Video: http://www.awz.uni-wuerzburg.de/archiv/film_foto_tonarchiv/filmdokumente/hermann_von_helmholtz/helmholtz_zuckung_animalischer_muskeln/
Das Filmchen vereinfacht den ganzen Prozess natürlich zugunsten der Anschaulichkeit. Helmholtz selbst beschreibt seine Experimente dagegen extrem genau und detailliert. [Vgl. http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/library/data/lit1862? und http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/library/data/lit1871?]
Er legte großen Wert darauf, alle Fehlerquellen zu lokalisieren, ihren Einfluss zu ermitteln bzw. zu eliminieren. Wie sich aus dem Briefwechsel mit Emil du Bois-Reymond entnehmen lässt zu Recht, denn anfangs stießen Helmholtz' Berichte zu dem Experimente auf große Ablehnung: "Deine Messung der Geschwindigkeit des Nervenprinzips ist in der Akademie verhöhnt worden [...]." [du Bois-Reymond in einem Brief an Helmholtz, 25. August 1850]
BTW: Helmholtz hat seinen Experimentalaufbau zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit damals noch gar nicht Myograph genannt, der Begriff wurde später geprägt (nur wann und durch wen?). [Vgl. Brain/Wise in Krüger, Universalgenie Helmholtz S. 136]

Mittwoch, 19. Januar 2011

Texte und Grafiken in der Virtual Library des MPIWG

In der Virtual Library des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte (MPIWG) finden sich viele Texte und Grafiken zum Myographen von Helmholtz:

Auf geht's

In diesem Blog berichte ich über Erkenntnisse und Fragen während des Schreibens meiner Magisterarbeit. Ich studiere Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin und schreibe über den Myographen. Der Myograph ist ein Gerät zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und wurde von dem Universalgelehrten/Physiologen/Physiker Hermann von Helmholtz Mitte des 19. Jahrhunderts konstruiert. Helmholtz konnte mit dem Myographen nachweisen, dass eine bestimmte Zeit vergeht, bis es zur Reaktion bzw. Zuckung eines Muskels kommt, nachdem ein elektrischer Reiz induziert wurde. Zu Beginn zeichne ich genau den technischen Verlauf des Experimentalaufbaus nach, das macht sozusagen den Kern der Arbeit aus. Im zweiten Schritt stelle ich die kulturwissenschaftlich relevanten Fragen, um interessante Querbezüge herzustellen und einen historischen Kontext herauszuarbeiten. Diese Fragen vernachlässige ich aber zu Anfang und starte mit dem technischen Aufbau.